von Jan Eckert
Obwohl die Lacustre mit Ihrer grossen Genua und langen Überhängen als Leichtwind Boot gilt und von den meisten Lacustre Segler überwiegend in Windstärken bis 3 Bft. gesegelt wird, zeigt das Boot ganz ausgezeichnete Starkwind Eigenschaften. Mit Fock segelt sie ähnlich wie eine Soling und verträgt sehr viel Wind. Auch bei 5 bis 6 Bft. kann eine Lacustre taktisch präzis gesegelt werden. Sowohl an der Kreuz wie auch vor dem Wind bietet sie ein grosses Einsatzspektrum.
Damit es auch Spass macht, bei viel Wind zu segeln, sind einige wichtige Grundsätze in Bezug auf Trimm, aber auch in Bezug auf Bootshandling, zu berücksichtigen.
Im nachstehenden Bericht habe ich einige dieser Grundsätze aus unserer Erfahrung mit dem Lacustre aufgezeichnet. Ich möchte diese aber mehr als eine Diskussionsbasis als eine explizite Trimmanleitung gewertet haben.
Bevor wir aus dem Hafen auslaufen, sollten einige Einstel-lungen überprüft werden, welche nur mühsam auf dem Wasser bei Wind und Welle zu verstellen sind.
Da ist einmal der statische Masttrimm mit Mastfall und Wantenspannung. Beides ist beim Lacustre insofern komplex als das Boot unter Genua ganz anderes getrimmt wird als mit einer Fock. Während Soling, 5.5m, Etchells oder auch der Drachen mit der gleichen Segelfläche über das gesamte Windspektrum segeln, wechseln wir von einer weit überlappenden Genua auf eine relativ kleine Fock. Die seitlichen Kräfte auf den Mast sind beim Segeln im Überlastungsbereich mit einer Genua ganz anders, als nach einem Wechsel auf die Fock.
Gleiches gilt auch für den Mastfall. Während der Leicht-windtrimm mit einer Genua unter Umständen durchaus mehr Mastfall verträgt, müssten wir eigentlich den Mastfall unter Fock reduzieren, je stärker der Wind blässt. Da wir bei unserem Boot nur wenige und sinnvolle Verstellmöglichkeiten angelegt haben, um möglichst einfach bei allen Windstärken funktionsfähig segeln zu können, haben wir uns auf ein „Kompromiss“-Mass von 1.48 m Mastfall festgelegt.
Ganz anders gehen wir mit der Wantenspannung um. Zwischen dem Leichtwindtrimm mit einer Wantenspannung von rund 270 Kg und dem Starkwindtrimm mit über 400 Kg Wanten-spannung liegen fast 50 % Spannungsunterschied.
Damit wir nicht andauernd die Wantenspannung verstellen müssen, haben wir drei Einstellungen definiert: Leicht (270 Kg), Mittel (350 Kg) und Stark (400 Kg).
Da die Wantenspannung während einer Wettfahrt nicht verstellt werden darf, haben wir mit diesen drei Positionen genügend „Überlappungen“, falls der Wind während einer Wettfahrt sich mal wesentlich verändern sollte.
Da der Lacustremast ein besonders schwerer und paradoxerweise auch sehr weicher Aluminiummast ist, muss bei mehr Wind der Mast deutlich durch höhere Spannung kontrolliert werden, da er ansonsten in alle Richtungen biegt. Die Unterwanten sind so eingestellt, dass der Mast vom Fuss bis zu Saling unter Last gerade steht. Wir verstellen die Unterwanten kaum, da sich in diesem Bereich des Masts wenig verändert. Im Prinzip aber lassen wir diese lieber zu lose als zu dicht, so dass wir genug Druck bei unterchiedlichen Bedingen auf dem Mast haben.
Kommen wir zu den dynamischen Trimmeinrichtungen: Eines der „Gaspedale“ aber auch die beliebteste „Handbremse“ beim Lacustre sind die Backstagen. Obwohl diese stufenlos zu trimmen sind, orientieren wir uns an einigen Fixpunkten. Zuerst einmal ist da das maximal Mass. Wir können unsere Backstagen so stark anziehen, dass wir auf dem Vorstag rund 300 Kg Spannung fahren können. Diese 300 Kg Position wird zuerst einmal hinten an den Backstagen mit einer Markierung versehen (Markierung kurz oberhalb Decksdurchführung).
Diese Marke reicht im wesentlichen als Referenzpunkt. Allenfalls können noch ein bis zwei weitere Marken als Referenzpunkte direkt am Backstag für leichte und mittlere Winde angezeichnet werden. Ziel ist die jeweilige Einstellung nach einer Wende schnell wieder zu finden ohne sich zehn verschiedene Trimmpositionen merken zu müssen.
Während bei leichten und mittleren Bedingungen durchaus aktiv am Backstag getrimmt wird, um eine optimale Balance zwischen Unter- und Überdruck halten zu können, segeln wir bei Starkwind fast ausschliesslich mit dem maximalen Mass. Sollte der Wind aber trotzdem zwischen den Böen abflauen, korrigieren wir selbstverständlich sofort die Backstagenspannung und damit den Durchhang der Fock/Genua, um Krängung und Segeldruck aufrecht zu erhalten.
Wie vielleicht einige schon bemerkt haben, bedienen wir an der Kreuz die Backstagen nur über die Feineinstellung. Die Grobverstellung bleibt immer belegt und muss entsprechend nicht bedient werden. Das heisst, dass wir nach einer Wende sehr schnell wieder den „störenden“ Durchhang aus dem Vorstag wegtrimmen können und unser Boot gar nicht erst in eine Situation mit starker Krängung (Überdruck, Abdrift, fehl-ende Beschleunigung) kommt.
Im Einklang mit der Backstagenspannung trimmen wir auch die Vorliekspannung von Grossegel und Fock/Genua. Die Wirkung des Cunningham, vor allem bei den Vorsegel, wird oft unterschätzt. Der Effekt ist aber ganz wesentlich auf Agilität und Geschwindigkeit des Bootes. Bei uns sind beide Trimmeinheiten von der Seite aus, einfach und entsprechend stark übersetzt, bedienbar. Gleich wie mit den Backstagen werden die beiden Vorliekstrecker bei abnehmendem Druck rasch wieder gelöst, um Druck und Schuss im Boot zu behalten. Das Achterstag wird nie auf der Kreuz eingesetzt. Sobald das Achterstag an der Kreuz gezogen wird, setzen mehrere negative Effekte auf einmal ein. Der Mast biegt, verliert aber gleichzeitig an Wantenspannung, das Grossegel verliert durch die Biegung in zwei Richtungen sein Profil und werden die Backstagen nicht gleichzeitig nachgezogen, hängt auch noch die Genua stärker durch. Daher, Finger weg vom Achterstag. Es dient wirklich nur um den Mast auf dem Vorwindkurs zu halten.
Das Grossegel sollte bei Starkwind einen leichten Gegenbauch im vorderen, unteren Drittel aufweisen, maximal ist kurzfristig ein Gegenbauch von Mitte Grossbaum bis zur Saling akzeptierbar. Schlägt das Segel trotzdem noch mehr, muss am Fock Twist gearbeitet werden. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass die obeste Latte in der Fock in etwa parallel zur Bootsachse steht. Erhöht man den Twist deutlich, nimmt die Luvgierigkeit dramatisch zu. Man muss also besorgt sein, dass die Fock im Achterliek richtig steht. Ist das Grosssegel brettflach ohne Gegenbauch, biegt wahr-scheinlich der Mast zu stark und nimmt jegliche Vortriebs-kraft aus dem Grossegel. Zuviel Achterstagspannung oder fehlende Wantenspannung bei den Oberwanten führen zu starken Biegungen im Mast.
Die gängigen Segelmacher schneiden die Vorliekskurven auf relativ gerade Masten. Deswegen sollten wir den Mast auch möglichst so trimmen.
“Ganz zentral für das Trimmen eines Lacustres ist das Zusammenspiel von Krängung, Segeldruck und Geschwindigkeit.”
Als Langkieler mit relativ geringem Tiefgang ist die Lacustre bei übermässiger Krängung sofort einer starken seitlichen Abdrift ausgesetzt. Um gute Geschwindigkeit und v.a. gute Höhe bei Wind segeln zu können, muss man die Lacustre möglichst aufrecht segeln. Gerade hier fällt nach Startszenen häufig auf, dass viele ihr Boot mit zu starker Krängung segeln und so von in Lee aufrechter segelnden Booten bedrängt werden. Ihr abwehrendes, kurzfristiges Anluven nimmt dann auch noch weiter Fahrt aus dem Boot und schon ist es vorbei mit einem guten Start…
Im Grunde wird unser ganzer Trimm so eingestellt, dass wir mit einer ungefähren Krängung von 15 Grad segeln können. Der Krängungswinkel von Deck zum Horizont wird so zum Mass aller Dinge, auch bei schwächerem Wind. Nimmt die Krängung ab, muss sofort wieder mit dem Aufbau von Druck begonnen werden. Also Backstagen lösen, Vorlieke fieren, Twist in Fock/Genua und Gross schliessen. Und umgekehrt, sobald die Krängung wieder zunimmt, ist mit Entlastung des Riggs und der Segel zu reagieren.
Mit dem konstanten Krängungswinkel wird gewährleistet, dass nicht mit zu viel Power im Rigg, zu hoch am Wind gesegelt wird und umgekehrt. So hat die ganze Mannschaft einen guten Anhaltspunkt, ab wann das Boot entlastet und ab wann Druck aufgebaut wird. Natürlich gleichen wir die kurzfristigen Böen und Veränderungen der Windgeschwindigkeit mit luven und leichten Steuerbewegungen aus. Sobald der Wind sich aber in Stärke wesentlich ändert, muss wieder mit Trimmen reagiert werden.
Das aufrechte Segeln bringt auch noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile. Das Boot segelt trockener, geht besser durch die Wellen, Ruderbewegungen sind effektiver. Ganz generell ist die Beschleunigung in Böen in Vortrieb und nicht Abtrieb eine wesentlich bessere. Das gleiche gilt selbstverständlich auch beim und nach dem Runden von Bahnmarken. Kurzum, es macht viel mehr Spass mit einem Boot in Starkwind zu segeln, welches durch guten Trimm beherrscht wird.