Bericht und Fotos von Thomas und Martin Pfeiffer
Titelbild: Luftaufnahme der Halbinsel Darß-Zingst (Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft)

Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft mit Teilen der Inseln Rügen und Hiddensee sowie der Halbinsel Darß-Zingst ist ein einzigartiges Naturparadies. Er umfasst eine Fläche von 786 Quadratkilometern, davon sind mehr als 80 Prozent Wasser. Zu der vielfältigen Landschaft gehören Teile der offenen Ostsee, flache Wasserflächen an den Küsten, Boddengewässer, aber auch Moor- und Heideflächen sowie Kiefern- und Buchenwälder.

Segeln und Strandurlaub verbinden

Segelrouten ab Basis Kloster auf Hiddensee

 

Die Idee war, im Sommer 2021 mit der Familie Ferien an der Ostsee zu verbringen und dabei Strandurlaub mit Segeln zu verbinden. Als Basis wurde der Ort Kloster auf Hiddensee bestimmt, wo es einen modernen Seglerhafen gibt, kilometerlange Strände und malerische Dörfer. Kloster ist mit der Fähre ab Rügen in etwa 1h zu erreichen, die Insel Hiddensee ist autofrei. Mit wechselnder Familiencrew sollten mit dem Lacustre während insgesamt 3 Wochen längere, mehrtägige Törns sowie kurze Tagesausfüge in die umliegenden Bodden sowie auf die Ostsee unternommen werden.

Die Anreise aus der Schweiz war problemlos, wenn auch mit 15-16h Fahrzeit recht langwierig, fast 1200 km Autobahn sind zu überwinden. Wir haben die Strecke jeweils in einem Rutsch absolviert, d.h. ohne Übernachtung auf der Hin- und Rückfahrt.

Ankunft im Hafen Schaprode auf Rügen am Abend des 4. Juli, 2021

 

Nach einer ersten Nacht im Schiff (noch auf dem Trailer) ging es am kommenden Morgen gleich ans Einwassern und Maststellen, was mit professioneller Unterstützung des „Yachtservice Rügen“ schnell und problemlos gelang. Danach konnte endlich der entspannte Teil des Projekts beginnen …

Revier und Navigation
Seglerisch zeichnen sich die vor der offenen Ostsee geschützten Boddengewässer durch den steten Wechsel von engen, jedoch gut betonnten Fahrwassern und grösseren frei segelbaren Flächen aus. Die Navigation wurde hauptsächlich mittels i-Phone und Navionics Seekarten durchgeführt, was hervorragend funktionierte. In den engen Fahrwassern ist die ständige Beobachtung des Tonnenstrichs sowie des regen Schiffsverkehrs unverzichtbar. Unter Segeln kann es bei knapp 30 m Fahrrinne schon mal eng werden, wenn eine Fähre und 2 Segler aneinander vorbei müssen. Die Fähren halten stoisch Kurs und Geschwindigkeit sonst laufen sie Gefahr aufzusetzen.

Mit gerefftem Gross und Fock unterwegs auf der Ostsee

 

Wind und Welle
Für uns vom launischen Voralpenwind geplagte Lacustre Segler ist die Ostsee eine Wohltat. Wenn 4-5 Bft. angekündigt sind, dann gibt es auch 4-5 Bft. – und zwar konstant den ganzen Tag aus der gleichen Richtung. Allerdings hat die lokale Küstenform einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: der Wind nimmt ab bei Landabdeckung und frischt auf zwischen den Inseln, wo regelrechte Düsen entstehen können.

Durch das flache Wasser in den Bodden – man hat selten mehr als 2-3 m Wasser unterm Kiel – baut sich bei Wind schnell eine kurze steile Welle auf, die in den grösseren Bodden schon unangenehm werden kann. Allerdings hat sich der Lacustre hier als ostseetauglich erwiesen, was vermutlich dem langen, schlanken Rumpf und dem relativ hohen Vorschiff zu verdanken ist.

In engen Fahrwassern konnte der Lacustre seine Stärken als Amwindläufer ausspielen. So lief das Boot unter Fock und gerefftem Gross hoch am Wind mit 6 Knoten Fahrt, wo typische Fahrtenyachten längst den Motor laufen lassen mussten oder achteraus zurückblieben.

Abstecher auf die offene Ostsee…

 

Einbaumotor, Reff und Lazy-Jack
Wirklich bewährt hat sich der Smart-Waterdrive Einbaumotor, den ich erst im vergangenen Winter habe einbauen lassen. Manchmal geht es in den engen Fahrwassern einfach genau gegenan – dann ist man auf einen zuverlässigen Motor angewiesen. Ein grosses Plus ist, dass der Motor innerhalb weniger Sekunden (elektrisch) abgesenkt und gestartet werden kann, mit nur einer Hand, während die andere weiterhin das Boot steuert.

Sehr bewährt hat sich auch ein zweites Reff im Gross, zumal wenn man mit Familiencrew und im Urlaubsmodus unterwegs ist. Die Reffösen befinden sich bei mir bei 1.4 m (1. Reff) und 2.8 m (2.Reff) gerechnet vom Unterliek. Wir haben häufig das 2. Reff montiert, was zwei nicht zu unterschätzende Vorteile bringt. Zum einen ist das Boot perfekt ausbalanciert und segelt sich auch bei viel Wind aufrecht und trocken und fast ohne Ruderdruck an der Pinne. Zum anderen müssen die Backstagen nicht mehr betätigt werden, da im 2. Reff der Kopf des Grosssegels gerade unterhalb der Anschlagpunkte endet.

Die Lazy-Jacks vereinfachen das Bergen und Stauen des Grosssegels

 

Bewährt hat sich auch eine selbstgebaute Lazy-Jack Bergehilfe für das Grossegel. Diese stellt bei Wind und Welle einen erheblichen Gewinn an Sicherheit dar. Das Segel lässt sich schnell und weitgehend einhand bergen oder reffen, während der Steuermann sich auf Kurs und Fahrwasser konzentrieren kann.

Wohnen, Schlafen, Kochen
Da wir vorhatten, regelmässig Häfen anzusteuern, haben wir Gepäck, Proviant und Ausrüstung auf das nötige und sinnvolle beschränkt – trotzdem hat sich einiges als überflüssig erwiesen. Die hier präsentierte Auswahl ist natürlich subjektiv und hängt von Art und Länge der Reise ab. Ich denke jedoch man sollte sich von der Vorstellung verabschieden, aus dem Lacustre ein komfortables Fahrtenschiff machen zu wollen …

Bei Schietwetter leistet ein solides Cockpitzelt gute Dienste

Als nützlich haben sich erwiesen:

Cockpitzelt. Das Cockpit ist beim Lacustre auf Touren gleichzeitig erweiterter Wohnraum, Koch-, Essplatz und „Salon“. Das vor dieser Reise angeschaffte Cockpitzelt hat hier wirklich gute Dienste geleistet. Umso besser, wenn man auch noch an ein Fenster für die Aussicht beim Diner gedacht hat …

Stromversorgung. Strom an Bord ist unentbehrlich für i-Phone, Navi, Radio, Autopilot usw. Wenn das GPS des i-Phone läuft, wird es ungemein energiehungrig. Ich habe also einen tragbaren Li-Ion Akku 
mit einer Kapazität von 500 Wh angeschafft. Dank Ausgängen von 5V(USB), 12V und 230V können verschiedenste Verbraucher angeschlossen werde. Das mit Überlast- und Kurzschlussschutz ausgestattete Gerät eignet sich ebenfalls für den Betrieb an einem Solarpanel. Auch ohne Nachladen war der Akku nach einer Woche Segeln noch immer halb voll.

Wasservorrat. Statt grössere Mengen Mineralwasser in Flaschen zu bunkern, habe ich einen faltbaren Wasserkanister aus dem Campingzubehör angeschafft, der genau in die Cockpit Backskiste passt. Lässt sich an jedem Steg nachfüllen, Trinkwasser-qualität vorausgesetzt.

Staukisten. Ich verwende zum Stauen handelsübliche, stapelbare Kunststoffboxen (40 x 60 cm) in unterschiedlichen Höhen. 4 Stück davon finden im Vorschiff direkt vor der Mastbrücke auf einem selbstgebauten Holzrahmen platz.

Küche. Ein alter Benzinkocher sowie ein einfaches Topf- und Geschirrset aus dem Campingzubehör haben sich als völlig ausreichend erwiesen. Der Rest wurde aus der heimischen Küche ausgeborgt.

Kühlbox. Diente eigentlich nur dazu, stets gekühlte Getränke zu haben. Nachteil: spätestens nach zwei Tagen ist ein Hafenbesuch fällig, um frisches Eis zu bunkern.

Als überflüssig, weil nie benutzt, haben sich erwiesen:

Autopilot
Camping WC

Enge Platzverhältnisse im „Wohnboot“

 

Fazit
Das Projekt „3 Wochen Segeln und Strandurlaub an der Ostsee“ war für alle Beteiligten ein voller Erfolg. Dazu beigetragen hat auch das schöne und stabile Wetter, während Teile von Deutschland und die halbe Schweiz im Dauerregen versanken. Die anfängliche Nervosität und die gemischten Gefühlen angesichts dessen, was uns auf dieser Reise erwartet, wichen mehr und mehr einer entspannten Gelassenheit. Das war sicher nicht unser letzter Besuch an der Ostsee mit dem Lacustre …

Abendstimmung am Ankerplatz