Baujahr 1967
Werft Chantier naval de Corsier Port
Bauweise karwell beplankt (Mahagoni Vollholz auf Esche Spanten)
Rumpffarbe rot
Flotte
Zürichsee

Bootsgeschichte 1st Lacustre home, Bol d’Or 1970. Schweizermeister 1977.

„Pimp my Porzana“, geschrieben von W. Müller, Lacustre Bulletin 2012

Allen Seglern und Seglerinnen gewidmet, die lieber staubige Hände kriegen und ihre Kleider mit Farbe bekleckern, als einen Psychiater besuchen…

Damit unsere Boote im Schuss bleiben, müssen sie regelmässig unterhalten werden. Dies gilt in besonderem Mass für traditionelle Holzboote, die sonst schnell altern können. Ein neuer Anstrich alle paar Jahre ist manchmal nicht mehr gut genug. Die Porzana war weiss gestrichen, als sie 1967 beim Chantier Naval de Corsier vom Stapel lief. Sie hat im Laufe der Zeit zwar schon etliche Holzreparaturen an Plankenstössen, Kielgang, Deck etc. erfahren, der Farbanstrich wurde in der ganzen Zeit aber nie von Grund auf erneuert.
Das Knallrot, das sie seit vielen Jahren auszeichnet, hat die Eigenart, dass die Oberfläche an der Sonne sehr heiss wird. Die darunterliegenden Farbschichten durchlaufen deshalb im Laufe der Zeit unzählige Temperaturzyklen, bei denen sie sich ausdehnen und wieder zusammenziehen. Es ist ein Wunder und zeugt von der seriösen Verarbeitung, dass sich unter diesen Umständen keine Blasen gebildet haben, die dann grossflächig abgeblättert sind. Der Farbaufbau, der aus zig Schichten unterschiedlicher Farben und Qualitäten bestand, hatte trotzdem ein Problem. Weil die verschiedenen Schichten unterschiedlich arbeiten, bildeten sich innerhalb der Farbschichten feine Risse und Rippen, die als Netzmuster an die Oberfläche durchschlugen. Eine derartige Oberfläche zieht magnetisch jedes Schmutzteilchen an. Der unansehnliche Rand an der Wasserlinie verlangte nach häufiger Behandlung mit Badwannenschwamm und Essigreiniger, was wiederum den Anstrich schnell altern und ausbleichen liess.
Da konnte man noch so sorgfältig überstreichen, spätestens nach der zweiten Saison sah es wieder gleich aus. Die Radikalkur bestand darin, alle Farbschichten abzulaugen. Nach insgesamt 2 Tagen Arbeit zu zweit, 10 Litern Industrielauge, viel «Ellbogenfett» und vier Durchgängen standen vier Einkaufstaschen voll abgeschabter Farbfetzen neben dem Boot. Wir hatten es bis auf die unterste Farbschicht geschafft. Weitere vier Stunden mit zwei Schleifmaschinen waren nötig, um bis aufs Holz vorzudringen. Die solchermassen freigelegte Holzschale offenbart sämtliche Spuren aus über 40 Jahren intensiver Segel- und Regattatätigkeit. Beispielsweise einige grossflächige Aufspachtelungen am Bug, die Ursache für immer wiederkehrende tiefe Risse im Anstrich waren.
Von Anfang an war klar, dass die Porzana wieder rot sein würde. Wir mussten uns also nicht um die zahlreichen gespachtelten Dellen kümmern sondern nur darauf achten, dass wir mit den Schleifmaschinen nicht verkanteten und neuen Dellen verursachten – gar nicht so einfach, wenn nach stundenlanger Schleifarbeit kopfüber das Gewicht der Maschine tonnenschwer wird.
Nach dem ersten Grobschliff war es an der Zeit, alle Plankenstösse, die im Laufe der Zeit noch nicht neu verleimt waren, aufzufräsen und Leisten einzuleimen. Gewisse Leimqua-litäten aus den Sechzigerjahren sind schon nach 30 Jahren spröd und zerbröckeln, so dass die Leimfugen neu gemacht werden müssen. Rund 40m Leisten waren nötig. Jetzt sollte es für eine Weile hoffentlich keine Risse mehr geben!

Die vorstehenden Leisten wurden abgefräst, gespachtelt und verputzt. Damit ist die Schale für die erste Grundschicht bereit. Über den besten Schichtaufbau gibt es unterschiedliche Philosophien. Traditionell nach alter Schule gefertigte Holzboote bewegen sich im Seegang entlang der Planken. Die Festigkeit der Schale kommt vom relativ schweren geschraubten oder genieteten Verbund von Planken, Spanten und weiteren inneren Versteifungen. Die Kalfaterung zwischen den Planken macht die Bewegung mit, ohne leck zu werden. Eine weiche Farbe darüber gibt etwas nach, ohne gleich zu reissen. Bei der klassischen Holzbauweise der Lacustre hingegen sind die Planken wie bei vielen Holzbooten auf Binnenseen aneinander geleimt. Es ist eine Technik, die leicht ist und die Schale steif macht. Auf innere Längsversteifungen kann weitgehend verzichtet werden. Ähnlich der formverleimten Bauweise flext die Schale als Monocoque. Der neue Farbaufbau kann deshalb gleich wie bei formverleimten Booten gemacht werden.
Mit harten Schaumrollen haben wir ohne Zwischenschliff zuerst innerhalb von drei Tagen drei Schichten Epoxy aufgetragen. Auf diese Art binden die Schichten chemisch untereinander und der Auftrag ist dick genug, damit man beim anschliessenden groben Zwischenschliff nicht wieder auf das Holz durchfällt. Mit nochmals zwei Schichten Epoxy darüber, diesmal bereits mit roter Farbtönung, ist die Grundierung perfekt. Eine gute Arbeitstemperatur liegt bei 16 – 18°C.

Nach einem feinen Anschliff und einer penibel gründlichen Reinigung des Ateliers ist die Schale bereit für den Schlussanstrich. Wir haben es zuerst nach alt bewährter Methode mit einem erstklassigen Pinsel versucht. Dabei geht eine Person ein kurzes Stück voraus und macht die Ränder, so dass die zweite Person zügig in der Fläche nachfolgen kann. Zuerst Farbe grob auftragen, dann gleichmässig verteilen und sofort in die bereits gestrichene Fläche hinein schlichten. Weiter zum nächsten Stück. Der Trick dabei ist, genau die richtige Menge Farbe aufzutragen, diese rechtzeitig mit dem vorangehenden Stück zu verbinden und dann nicht mehr zurückzugehen um zu flicken. Es muss auf Anhieb gelingen – wie ein Solo in einem Konzert.Da es bei der verwendeten 2 Komponenten Polyurethan-Farbe schwierig war, die Dicke der Farbschicht mit dem Pinsel gut zu kontrollieren, haben wir die zweite Schicht nach einem feinen Zwischenschliff mit harten Rollen aufgetragen und mit dem Pinsel geschlichtet. Das erwies sich als wesentlich effizienter und war mit deutlich weniger Kleckerei verbunden. Noch ein Punkt zur Arbeitshygiene: Bei modernen Farben unbedingt Atemschutz mit Aktivkohle verwenden, so bleiben Konzentration und Energie bis zum Schluss erhalten.

Der auf diese Weise aufgebaute Anstrich ist noch ziemlich lange aktiv. Epoxy und 2K – Farbanstrich reagieren erst aus, wenn sie einmal richtig durchgewärmt sind. Als wir das Boot im Frühling aus dem ungeheizten Winterlager eingewassert haben, war die Farbe noch weich und empfindlich. Im Laufe des Sommers hat sie ihre volle Widerstandsfähigkeit erreicht. Der wirkliche Schlussanstrich kann also erst erfolgen, nachdem das Boot eine oder zwei Saisons gesegelt wurde. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht ab jedem früher oder später unvermeidlichen Kratzer ärgern muss…
Das Überwasser einer Lacustre zu überstreichen ist übrigens nicht sehr aufwändig, vorausgesetzt, die Basis ist gut: Dellen ausbessern, 1 Stunde anschleifen, 4 Stunden gespachtelte Stellen vorstrichen und wieder anschleifen, 1 Stunde Deckschicht streichen 2 -3 Stunden. Nicht zu vergessen die rund 2 Stunden, die im Minimum nötig sind, um eine Werkstatt einigermassen staubfrei zu machen.

So geht das. Natürlich ist das noch lange nicht alles, um die alte Dame in Schwung zu halten – mehr darüber vielleicht ein anderes Mal…

Taufgeschichte Als „Ciana II“ getauft, später „Vilou“

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